- Uetersen - Paderborn-Haxterberg 09:57 - 12:26 (2:28 243km)
- Paderborn-Haxterberg - Worms 12:51 - 15:14 (2:22 262km)
- Worms - Freiburg i. Br. 15:55 - 17:34 (1:38 200km)
Nicht der Norden
Autor: Schmuel
Ein Mensch kann es sich so einfach machen und ist häufig schon bedient mit dem Mindesten. Die Pure Freude an der Fliegerei und das damit einhergehende erhabene Gefühl übertrifft oft jegliche Vorstellungskraft eines Fußgängers.
Mit dem Abheben von der Bahn beginnt das unvorstellbare, das großartige, das überwältigende. Viele Piloten, die sich seit Jahren in die Himmel werfen, erleben mit jedem Starte selbe Freude, man nennt sie die Kirchturmpiloten, denn oft bleiben Sie in ihrem Horst und drehen die immer selben Runden.
Ich bin sicher, dass jeder von denen einen riesigen Spaß haben wird, in welche Kiste auch immer er sich hineinsetzen mag. Bedauerlicherweise entgeht all diesen Menschen etwas großartiges: Die Freude am Reisen.
Der C22 wird oft abgesprochen, dass man mit ihr überhaupt Distanzen überwinden kann. "100 km wird sie wohl machen" erhält man als obligatorische Reaktion auf die Frage, ob man denn auch auf Strecke gehen könne. Oh wie falsch alle liegen, die so eine Antwort meinen abzugeben.
Sicher wird man sagen können, dass dieses lustige Gerät nicht unbedingt den Eindruck macht, als wäre sie besonders gemütlich - was sie ist - oder als wäre sie eine Rennziege - was sie nicht ist. Doch was für einen Eindruck der erste Blick auch immer vermitteln mag: die Lust am Reisen darf man sich nicht nehmen lassen. Thomas und ich probieren es aus. Heute beginnt die Reise, die uns irgendwohin nach Spanien führen soll.
Es ist ein bewölkter Tag, am Flugplatz Uetersen. Das Wetter und die terminliche Situation zwangen uns bereits erst eine Woche, dann zwei weitere Tage zu verschieben. Sicher ist sicher. Bei Regen und schlechtem Wetter irgendwo in Deutschland festzuhängen, nur um einen Tag früher losgekommen zu sein, wäre auch keine bessere Option gewesen.
Immerhin: War die Basis gestern noch bei gerademal 800ft, so stiegen die Wolken heute wenigstens ein wenig und die Hoffnung wächst, die ersten Strecken heute fliegen zu können. Wir sind spät dran: erst um zwölf Uhr begeben wir uns auf unseren Kurs. Unser erstes Etappenziel: Haxterberg. Der eigentliche Plan heute bis Freiburg zu fliegen ist schon halb verworfen: Immerhin lässt das Wetter noch sehr zu wünschen übrig und unser später Abflug ist bei einer Kiste mit 100km/h Reisegeschwindigkeit auch nicht zuträglich für eine so weite Distanz.
Kaiser-Wilhelm-Denkmal bei Porta Westfalica.
Wo der Regen hinfällt…
Der Flugplatz in Haxterberg ist auf einer kleinen Anhöhe gelegen. Ich bin sicher, würde die Sonne etwas stärker scheinen oder würden die Wolken ihr den Platz geben um den Boden mit ihrem Licht zu fluten. Dann wäre die Aussicht vom Platz aus gar zu herrlich. Nur heute leider bedeckten dicke Wolken den Himmel, Im Slalom umrunden wir einzelne Regenschauer. Wieder andere erwischen unser Flugzeug und für wenige Minuten bedecken Tropfen die großen Scheiben der C22.
Über dem Landefeld selbst liegt kein Regen. Im Anflug beschließen wir, uns das zu Nutze zu machen, solang wir können. Der freundliche Türmer vor Ort verschiebt extra seine Mittagspause ein klein wenig, um uns beim Tanken und weiterflug zu unterstützen. Im kurzen Gespräch erklären wir kurz unser Anliegen. Das Staunen war nicht schlecht. Mit dem Gerät nach Spanien? Man müsste völlig verrückt sein. Sind wir auch.
Nach einem kurzen Tankstop ohne große Umwege setzen wir uns wieder in das Flugzeug und auf geht es auf die Piste. Kurs: Süd.
Der Himmel über Paderborn-Haxterberg verheißt nichts Gutes
Waren wir auf dem Flug nach Haxterberg noch um einzelne Schauer gekreist, so mussten wir nun mehr um die Windräder kreisen. Denn die Wolkendecke sank abermals und erreichte nun schon unsere minimale Flughöhe.
Es ist tatsächlich ein beängstigendes Gefühl, wenn man in einem Flugzeug sitzt, das normalerweise in 600 Metern Höhe unterwegs ist, und man mit einmal acht geben muss, von keinem der Windräder erwischt zu werden. Auch diese Erfahrung war für mich völlig neu.
Unser nächstes Etappen und auch End-ziel für den Tag ist Worms. Über zwei Stunden werden wir dorthin unterwegs sein. Die Wetterprognose macht Hoffnung: Man solle sich wohl darauf einstellen können, in Worms endlich blauen Himmel erspähen zu können. Der Abflug in Haxterberg allerdings hinterlässt nicht den Eindruck, als würde man sich in einer Stunde schön sonnen können. In der Tat, es ist schwer zu beschreiben wie es ist wenn man in so geringer Höhe an Hindernissen vorbeischleicht, die man unter anderen Bedingungen mit Leichtigkeit überfliegt. Trotz alledem, nach einer gewissen Zeit beginnt der Himmel aufzuklaren, und nach ungefähr der Hälfte der Strecke erkennen wir den ersten blauen Fetzen, die wie als Vorbote der frohen Botschaft vom besseren Wetter die Sonne ankündigen.
Keine halbe Stunde fliegen wir mit der C22 durch nur noch leicht bewölkte Gebiete. Wir sind im Norden ins Wetter hineingeflogen und im Süden, in Worms, wieder hinaus. Eine Fähigkeit, die man so einer C22 gar nicht zugetraut hätte.
In Haxterberg noch waren wir fast die einzige Maschine, die sich getraut hat, dem Wetter zu trotzen. Hier in Worms hingegen fand das gewohnte fliegerische Leben statt. Die Geräusche der verschiedenen Motoren auf dem Vorplatz nahmen nahezu nie abklang. Auf den Rollwegen ein Getümmel der verschiedenen Flugzeuge, die sich ihren Weg zur Piste bahnten, den Weg zurück zum Hangar suchten oder an der Tankstelle warteten um sich mit neuer Energie zu versorgen. Im reichlich gefüllten Flugplatzcafé saßen Schaulustige, Piloten und sicher auch die einen oder anderen schaulustigen Piloten. Es ist 18 Uhr, die ruhige Abendluft finden allmählich Einkehr. Nachdem das Flugzeug getankt auf dem Vorfeld steht, machen wir uns auf den Weg in Richtung Café. Dort verschaufen wir kurz und sondieren unsere Möglichkeiten. Denn noch ist es 18 Uhr, die Plätze im Sommer haben lang geöffnet - das trifft auch auf Freiburg zu - 2 Stunden blieben uns für den Weg. Anderthalb Stunden würden wir beim aktuellen Wind brauchen.... Das ist genug Reserve. Wir steigen also doch heute nochmal ins Flugzeug mit dem Ziel: Freiburg.
Heute Morgen noch hatten wir uns von der Idee verabschiedet, bis nach Freiburg durchzufliegen. Doch hatten wir Glück. Mit Rückenwind geht es durch den Abend, den Rhein entlang vorbei an Schlössern und Parkanlagen und an nicht zu enden scheinenden Weinhängen. Über Täler und einige Berge, die im tiefen Grün der Nadelbäume schlummern. Hach wie schön ist das Fliegen bei schönem Wetter!
Freiburg ist bekannt als eine der sonnigsten Städte Deutschlands. Und diesem Ruf machte der heutige Tag keine Schande. Auf dem Flug Richtung Süden wichen die wenigen Wolken, die hartnäckig bis Worms am Himmel blieben, der untergehenden Sonne aus. Über Freiburg stand kein Wölkchen, als wir uns im Funk anmeldeten.
Der Queranflug auf den Flugplatz Freiburg führt mitten über die Stadt.
Der Flugplatz von Freiburg ist nun ein Thema für sich. Er ist einer der vielen scheidenden ehemaligen Provinzflughäfen. Das gesamte Gelände, auch die Piste wurde in den letzten Jahren extrem eingekürzt. Man findet überall noch Überbleibsel aus der Zeit der fliegerischen Euphorie, da man jede Stadt an das Flugnetz anschließen wollte. Eine asphaltierte Bahn, lange Rollwege, ein verlassenes Tankwarthäuschen stehen dort. Und am Tower schließt ein ehemaliges Terminal an. Die Infrastruktur gleicht etwa der von Magdeburg. Der Platz liegt mitten in der Stadt und ist von 3 Seiten von ihr umgeben. Das bedeutet, dass auch der Anflug und die Platzrunde genau über der Stadt erfolgen. Eine sonderbare Perspektive. Ein wenig nervös macht es einen schon, wenn man weiß wie groß der Gleitbereich seiner Maschine ist und wie weit der Platz von der Platzrunde entfernt ist. In solchen Momenten bleibt einem oft nichts anderes, als der Maschine zu vertrauen, dass sie einen auch sicher zum Platz bringt, und sich an der Sicht zu erfreuen, so dicht über eine so schöne Stadt zu fliegen.
Auf dem Platz angekommen, machen wir uns direkt auf den Weg zum Tower um uns zu erkundigen, ob und wie wir hier auf dem Platz übernachten können. Denn unser Anliegen ist, so wenig wie möglich in Hotels oder dergleichen zu übernachten. Viel lieber wollen wir in unseren Schlafsäcken direkt unter dem Flügel unter freiem Himmel schlafen.
Wir rollen mit unserer C22 zum Hangar der Flugschule. Dort treffen wir Ramon, einen der Inhaber und Fluglehrer der dortigen Schule. Er ist sofort fasziniert von unserer Idee. Seine Flugschule zieht jedes Jahr im Winter nach Spanien um und unternimmt hierfür auch Überführungsflüge. Er kennt sich also bestens mit den aktuellen Spielregeln und der gängigen Praxis aus und kann uns bei der Planung zur Seite stehen. Er ist uns nicht nur behilflich bezüglich unserer Routenplanung, sondern auch extrem Gastfreundlich.
Denn am Flugplatz Freiburg hat er sich sein kleines Fliegerparadies gebaut. Im Hangar sind Räumlichkeiten eingerichtet: eine kleine Bar, eine Toilette mit Dusche und ein gemütliches Wohnzimmer mitsamt Kachelofen erwarten einen dort. Wir unterhalten uns gut und er überlässt uns für die Nacht einen Schlüssel für den Flugplatz und für den Hangar. Für die morgendliche Dusche ist also gesorgt und wir dürfen vor dem Hangar unser Nachtlager aufschlagen.
Wir lassen uns noch ein Restaurant empfehlen und gehen Satt und zufrieden in die erste Nacht unter freiem Himmel. Bei sommerlichen Temperaturen. Derweil Hamburg weiter mit der Kälte vorlieb nimmt. Was für ein Tag!